*Als Turin in die Felle gegangen war eilte Nienna noch völlig aufgekratzt in den Hafen und zur Heilerei. Sie wuselt in ihr Büro, schließt die Tür und lehnt sich schwer atmend an das Holz … sie nimmt die Schleier ab und drückt sich vom Holz weg … die Schleier wirft sie achtlos auf einen der Stühle und huscht zum Bücherregal … geschwind zieht sie IHR Buch aus dem Regal und geht zum Schreibtisch … umsichtig setzt sie sich … die schwere Prunkrobe behindert sie etwas … als sie endlich bequem sitzt und die etlichen Stoffe sortiert hatte, nimmt sie die Feder und taucht sie ins Tintenfass … ihre Augen glühen förmlich, als sie diese auf das Pergament senkt und mit ihrer feinen und schrägen Handschrift loslegt.*

1.Tag der 5.Hand des Monats Camerius, 10164 Contasta Ar

Nienna con Turmus … Zuhause!!! Endlich angekommen!!!

Die Zeremonie des Heimsteinschwures war von Sir Cato mehr als trefflich vollzogen worden. So feierlich und andächtig, dass es das härteste Herz zum erweichen bringen würde. Als wir die Worte Catos wiederholt hatten, übergaben wir unsere symbolischen Geschenke an den Heimstein. Turin übergab eine Pflanzschale, in die er einen Tem-Baumsamen drückte und ihn mit seinem Blut wässerte. Der Tem-Baum sollte für Standhaftigkeit, Betsändigkeit,  Stärke und Schutz stehen. Mein Herz schwoll voller Stolz auf meinen Gefährten an, als Sir Cato seine Gabe anerkennend lobte. Dann war ich an der Reihe, meine Gaben waren mein erstes Lehrbuch über die Anatomie des Menschen, ein Bündel von Kräutern aus dem Umland von Turmus und einen Tiegel mit Agrimonysalbe.  Ich stellte mein ganzes Wissen, mein gesamtes Können und mein Geschick dem Heimstein von Turmus zur Verfügung. Dann verkündete Sir Cato, dass wir nun vollwertige Mitglieder der Gemeinschaft um den Heimstein von Turmus seien und alle Anwesenden gratulierten uns. Sir Thäss übergab Turin ein wertvolles Fell und einen riesigen Boskbraten als Willkommensgeste der braunen Kaste.  Lady Isabells warme Worte freuten mich unglaublich. Der alte Zwist schien nur endgültig behoben und aus der Welt. Lady Mith übergab Turin ein Waffentuch aus edlem roten Stoff, bestickt mit dem Wappen von Turmus auf der einen und das der roten Kaste, sowie Turins Initialen (TcT) auf der anderen Seite.  Turin war sehr beeindruckt von dem teuren Stoff und der Geste der Schreiberin. Mir übergab Lady Mith einen verschlissenen grünen Stoffstreifen mit den Worten es wäre ein Stück des Banners des allerersten Heilers von Turmus. Jenes Banner wäre verschollen gewesen und als man es fand wurde es zerteilt und die Stücke galten seit dieser Zeit als Glücksbringer. Nun hielt ich solch ein Stück in meinen zitternden Händen. Dieses mehr als edle und wertvolle Geschenk brachte mich völlig aus der Fassung und die Tränen bahnten sich stumm ihren Weg. Mehr als ein Danke vermochte ich nicht mehr zu sagen.

*Sie legt die Feder weg, greift in ihre Tasche an der Robe und zieht das grüne Stück Stoff heraus … ihre Finger streichen den Stoff glatt … wieder füllen sich ihre Augen mit Tränen … sie küsst den Stoff und faltet ihn sorgsam zusammen … dann steckt sie ihn wieder in die Tasche, nimmt die Feder wieder zur Hand, tunkt sie in die Tinte und schreibt weiter.*

Nach der Zeremonie lud Turin alle auf seine Kosten ins Teezelt ein, wo Gwenda das Beste aus ihrer Küche bereitgestellt hatte. Sie überraschte mich mit einem Tospitkuchen, der erfrischend säuerlich war. Selten habe ich einen Kuchen so genossen wie an diesem Abend. Als ich erst einige Bissen genommen hatte, erbat sich die Sklavin Honey zu mir sprechen zu dürfen. Als ich es ihr gewährte, übergab sie mir 2 kleine gelbe Steine, die sie am Ufer des Vosk gesammelt hatte. Sie sagte diese Steine sollen für Turmus stehen, so dass wir immer ein Stück Heimat bei uns hätten, wenn wir auf Reisen wären. Eine wirklich rührende Geste für eine Sklavin, die selbst mich rührte, wie zugebe. 

Gwenda bat uns ihr zu folgen und hinter dem Zelt fanden wir 2 große Ballons, einer in Grün und der Andere in Rot. Sie sagte, wir sollen die Körbchen unter den Ballons entzünden und uns etwas wünschen. Wenn der Ballon sich in die Lüfte erhebt, würden jene im Sardar dem Wunsch wohlwollend gegenüber stehen. Mit zitternden Händen entzündete ich zuerst das Holzstäbchen und dann das Körbchen. Beim Entzünden des kleinen Korbes wiederholte ich immer wieder meinen innigsten Wunsch. Zuerst tat sich nichts, doch dann plötzlich erhob sich der Ballon. Immer höher und höher stieg er in den Nachthimmel und den Monden entgegen, bis er ausser Sicht war. Dann war Turin an der Reihe. Sein Ballon erhob sich sofort und stieg sehr schnell auf. Wir beide schauten den Ballons nach, glücklich und mit einem Gefühl des Angekommenseins im Herzen. 

Der restliche Abend verging in lustiger Stimmung mit vielen guten Gesprächen. Lady Amira erinnerte uns noch, dass wir uns bei Lady Isabell im Register eintragen lassen mussten. Diese sagte mir, dass sie für uns immer Zeit hätte und ich versprach ihr möglichst schnell vorbeizukommen. Turin ging dann recht schnell in die Felle. Ich bat ihn noch etwas an der frischen Luft bleiben zu dürfen, was er mir erlaubte. 

*Nienna legt die Feder beiseite, greift abermals in ihre Tasche und zieht den kleinen Stein von Honey heraus … sie hebt ihn in die Höhe und das Licht der Kerze bricht sich in dem Bernstein … lächelnd dreht sie ihn im Licht … er spiegelt sich in ihren goldenen Augen … dann steckt sie ihn zurück, nimmt das Säckchen mit dem feinen Sand, streut etwas davon über die Seiten, pustet die Reste weg  und erhebt sich stöhnend … sie geht zu dem Bücherregal und steckt das Buch zurück an seinen Platz … dann nimmt sie ihre Schleier vom Stuhl, hängt sie vors Gesicht, blickt in den Spiegel, legt ihre Rechte aufs Herzen und nickt sich selbst zu …”Tal Nienna con Turmus!”… sie lächelt zufrieden … dann verlässt sie das kleine Büro und schlendert durch die stille Stadt nach Hause.*